Joachim Pohl Skulptur

Windsbraut, 2021
Eisenteile, Holz, Höhe: 57 cm

Ausstellungsansichten

Joachim Pohl-Skulptur

Joachim Pohl – Objekte und konstruktive Bilder

19. 06.–08. 08. 2021

Wir laden Sie herzlich ein zur Vernissage am Freitag, 18. Juni 2021 um 18:30 Uhr.

Die Ausstellung ist am 18. Juni bereits ab 15 Uhr geöffnet.

Ausstellungsdauer. 19. Juni bis 8. August 2021

Öffnungszeiten:

So.: 14:30 –17:30 Uhr und Mo: 17:30–21:30 Uhr
und nach vorheriger Vereinbarung per E-Mail am Mittwoch bis Freitag

Die Ausstellung kann ohne Voranmeldung unter Einhaltung der pandemiebedingten Hygienevorschriften (Maske, Anwesenheitsliste) besucht werden.

Wer mit dem künstlerischen Werk Joachim Pohls vertraut ist, weiß, dass es seit mehr als fünfzig Jahren von Zeichnung, Aquarell und gelegentlichen Holzschnitten geprägt ist. Da mag nun diese kleine Sonderschau mit den in den letzten zwei Jahren entstandenen Objekten und konstruktiven Bildern überraschen, die bei Joachim Pohls Galerienachfolgern Wolf & Galentz präsentiert wird. – Manche Idee erfüllt sich erst nach langer Reifezeit: Als der Künstler Mitte der 1970er-Jahre ein kleines Bauernhaus mit Scheune im Dorf Grunewald bei Templin erwarb, hatte der Bauer Willi alles samt Inhalt verkauft. Und so fand Joachim Pohl in Werkstatt und Schuppen so manches interessante Relikt aus geschmiedetem Eisen und gedrechseltem Holz, das ihn zu einer gestalterischen Neuordnung herausforderte. Die Teile bewahrte er über Jahrzehnte, bis endlich Ruhe und Konzentration auf die ungewohnten Fundmaterialien die Ausführung der neuen Bildgestalten motivierten. Vom Drang zur stärkeren Abstraktion bestimmt, entstanden neben den Objekten und Assemblagen auch einige konstruktive Bilder.

Archi Galentz

Eröffnungsrede zur Ausstellung

Joachim Pohl – Objekte und Konstruktive Bilder

am 18. Juni 2021 in der Galerie Wolf & Galentz, Berlin

Liebe Freunde der schönen Künste, sehr geehrte Damen und Herren,
heute begrüßen wir – Andreas Wolf und ich, als Galerienachfolger von Joachim Pohl, Sie sehr herzlich bei dieser besonderen Ausstellung, der persönlichen Ausstellung von Joachim Pohl mit seinen neuen Werken.

Wir sind in unserem dritten Jahr als Galerie, anfänglich waren wir begeistert, einzelne Phänomene der bildenden Kunst in Gruppenausstellungen auszuleuchten, haben einige Länderschwerpunkte präsentiert, konnten uns in grafische Disziplinen wie Holzstich und Holzschnitt vertiefen. Die Pandemie hat unsere Neugier nicht geschmälert und unseren Arbeitsdrang nicht gebremst, wir konzentrierten uns aber immer mehr auf unsere Umgebung und auf Pankow und präsentieren Ihnen zum dritten Mal in Folge eine Einzellausstellung eines Berliner Künstler.

Zum Glück hat auch Joachim Pohl in die letzten zwei Jahren der verordneten Isolation schöpferisch genutzt und endlich die Muße gefunden, sich mit all den Gegenständen auseinanderzusetzen, die er seit Mitte der 1970er-Jahre beim Erwerb eines alten Bauernhofs vorfand und liebevoll als geschichtlich aufgeladene Fundobjekte aufbewahrte. Diese Ausstellung ist somit auch ein bisschen der Pandemie geschuldet, und ihr widmet der Künstler ein eigenes Werk, Maske/Corona, das vor unserer Vitrine aufgestellt ist.
Wenn wir diese Ausstellung betrachten, finden wir neben Tafelbildern und Papierarbeiten auch zahlreiche Objekte. Teils sind dort alte kunsthandwerklich gefertigte Elemente eingearbeitet, wie ein geschnitzter Engelkopf aus dem Bauernbarock. Das durch Holzwürmer veredelte Skulpturenelement bannt unsere Aufmerksamkeit und lädt zum Nachdenken ein. Der Künstler setzt aber durch Beifügen von weiteren Elementen – und durch die bedachte Einrahmung – seine eigenen Akzente, trifft eine eigene Aussage.

Dies gelingt ihm sowohl mit gedrechselten Holzteilen und Schubladenteilen als auch mit ganz einfachen Objekten des täglichen Gebrauchs, wie zwei alten Schaufeln oder verrosteten Äxten. Vorhängeschlösser und Türklinken führen in eigene Bildwelten, selbst ein schwer zu identifizierender Metallgegenstand wird auf ein Podest erhoben und hoffnungsvoll als Windsbraut dem Schicksal als zierliche Plastik überlassen.

Joachim Pohl zeigt fast ausschließlich Arbeiten aus den letzten Jahren. Viele von Ihnen kennen Joachim Pohl in diesen Räumen als passionierten Galeristen. Viele von Ihnen wissen auch, dass er immer selbst künstlerisch tätig war und ist, und zwar seit mehr als fünfzig Jahren. Bekannt sind seine Zeichnungen, Aquarelle und Drucke. Diese Ausstellung überrascht uns mit Objekten, mit skulpturalen Werken. Auch viele konstruktive Bilder sind neu, und Joachim Pohl ist auch nach den langen Jahren als Künstler ein Forscher und Experimentator geblieben.
Einige Werke inszeniert der Künstler in alten, „gelebten“, Rahmen, andere sind über einen Spiegel geklebt präsentiert. Als „Buchdeckelmalereien“ lotet Joachim Pohl einfühlsam die Schwelle zwischen Bild und Objekt aus. Einige der ersten Papierwerke, die diese Ausstellung gleichsam einleiten, die „Walzencollagen“, sind beim Drucken von Holz- und Linolschnitten entstanden. Wie bei diesen Bildern, so wie bei vielen anderen, sind Handlungen ausschlaggebend. Handlungen des Künstlers, durch die die Werke entstehen, und Handlungen der Betrachtenden, die die Enträtselungsarbeit vornehmen müssen, wenn sie sich den Werken nähern wollen. Manchmal helfen uns dabei die Titel der Werke.

Streng genommen ist jedes Bild eine Assemblage, auch ein schnell und frei gemaltes impressionistisches Gemälde. Denn im Unterschied zur Fotografie, wo sich real existierende Dingwelt durch reflektiertes Licht den Weg auf lichtempfindlichen Film oder Digitalmatrix bahnt und somit festgehalten wird, entsteht jedes gemalte Bild, jedes Relief und jede Skulptur, auch jede Zeichnung als Folge von Handlungen und das Hinzufügen oder das Abtragen von Substanzen.

Das Objekt als Kastenbild oder als Plastik hat es aber immer noch schwer, als eigenständige Gattung akzeptiert zu werden und gleichberechtigt mit anderen Formen der bildenden Kunst behandelt zu werden. Wenn ich mich nicht täusche, waren es die Surrealisten, die als erste Objektkunst als neue und aussagekräftige Gattung entdeckt haben. Gewiss haben dadaistische Provokationen eine Rolle gespielt, aber erst das Interesse an unerwarteten Wendungen und an Absurdem, das Anliegen, Betrachterinnen und Betrachter aus gewohnten Deutungsbahnen zu führen und die eigene innere Kreativität anzusprechen, haben die Entwicklung von Collagen und Assemblagen als Kunstform befördert. Bei den Surrealisten der Vorkriegszeit erlebte die Objektkunst eine Blütezeit. Die Schweizer Künstlerin Meret Oppenheim wurde in der Kunstgeschichte bekannt mit ihrer behaarten Tasse und der Amerikaner Joseph Cornell ist heute ausschließlich als Assemblagen-Künstler mit seinen Kästen bekannt. Wie die Theoretiker des Surrealismus behaupteten, soll „die zufällige Begegnung von Nähmaschine und Regenschirm auf dem Seziertisch“ beim interessierten Publikum die sogenannte „Poetische Zündung“ hervorrufen.

Joachim Pohl ist sowohl mit der Kunstgeschichte als auch mit der Dialektik gut vertraut. Der surrealistische Mechanismus ist bei einigen der ausgestellten Werke anzutreffen, wird aber nicht ausschließlich verwendet. Interessant wäre an dieser Stelle, einiges über die uns interessierenden Formen der bildenden Kunst in der DDR zu erfahren. Ich werde mich aber zurückhalten, in Anwesenheit von Herrn Pohl diesbezüglich zu dozieren und hoffe auf seine späteren Anmerkungen. Ich darf nur kurz erwähnen, dass bei unserer Ausstellung von Familie Rehfeldt letzten Sommer zwei Objektkästen von Robert Rehfeldt im Schaufenster ausgestellt waren. Ich darf auch hier verraten, das Joachim Pohl eine beträchtliche Zahl von Kunstwerken aus seiner Sammlung von Künstlern wie Achim Freyer, Hans Brosch und anderen zur Ausstellung Collagen, Assemblagen ausgeliehen hat, die am 9. Juli in Templin eröffnet wird.

Erfahrungsgemäß es ist fast unmöglich, mit Künstlerinnen und Künstlern durchs Leben zu gehen und nicht von ihnen beeinflusst zu werden. Womöglich ist es diesen Künstlerkollegen und Freunden, die Joachim Pohl sowohl als Galerist als auch als Sammler und Ausstellungskurator vertritt, geschuldet, dass wir heute hier bei dieser Ausstellung einen souverän sprechenden Künstler sehen, der sowohl mit vorgefundenen Objekten als auch mit Tusche, Tempera und Aquarell mit beneidenswerter Souveränität umgeht. Aber bevor wir uns wagen, Joachim Pohl als Person und Gesamtkunstwerk zu entziffern und zu deuten, möchte ich mich nochmals den hier ausgestellten Bildwerken zuwenden.

Wie schon erwähnt, leicht macht er uns nicht, sich mit seinen mehrdeutigen Kunst-werken auseinanderzusetzen. Wir alle kennen Joachim Pohl als einen Vermittler, als einen, der Wissen lebendig weitergibt. Dabei spricht er klar und deutlich als Zeitzeuge, als Künstler und als Forscher zugleich. Letzten Sommer überraschte er uns nicht wenig bei der Vernissage der Ausstellung von Familie Rehfeldt, als er nach einer ausführlichen Rede über die komplizierten Verhältnisse der DDR-Künstler mit dem Staat sich im Handumdrehen in seinen Freund Robert verwandelte und sogar in seinem Stil einige Appelle zum Besten gab. Wenn man aber vor seinen Werken steht, ist es, als forderten diese uns zur Enträtselungsarbeit heraus. Eindeutig sind die Werke dieser Ausstellung nicht.
Als studierter Germanist betitelt Joachim Pohl seine Werke mit Bedacht, aber eben nicht illustrativ. Vielleicht gibt er uns bei der ältesten Arbeit der Ausstellung, Die Schmerzensfigur, einen klaren Hinweis auf die Bilder, die im Inneren entstehen. Die Skulptur selbst illustriert aber nicht die Passion, das Leiden Christi, wie man es aus der Kunstgeschichte kennt. Das gefundene Schwemmholz mit einem großen Nagel führt uns durch Assoziationen, die gerade durch die Betitelung in eine bestimmte Richtung weisen.

Ich erlaube mir jetzt, ein Beispiel der neueren Serie als Vergleich hier zu bringen. Schauen wir uns das Objekt Schweres Glück von 2020 an. Wir sehen erneut ein Fundobjekt, in diesem Falle einen Stein, sogar mit einem Loch, dazu sind Eisen und Holz gefügt. Auch hier wird ein alter Nagel benutzt. Aber die neueren Objekte sind nicht narrativ, sie scheinen keine Geschichten erzählen zu wollen.

Oder nicht direkt. Man kann sie auch als Zeichen der Weisheit und Lebenserfahrung sehen, eine gewisse Leichtigkeit und eine Ironie dem eigenen Schaffensprozess gegenüber: die Skulptur Hahn der Ringe ist nicht nur ein Zeitdokument. Ironie und Leichtigkeit bedeuten nicht, dass es den Werken dieser Ausstellung etwa an Tiefgang mangelte. Sehen Sie sich das Objekt an, das nur aus zwei Eisenteilen besteht. Eines davon ist ein altes Hufeisen. Im Objekt Stumpfe Sichel sehe ich persönlich einen ganzen Entwurf für ein Monument im öffentlichen Raum. Ein Monument, das uns in Berlin fehlt.

Wir wünschen Ihnen viel Inspiration bei dieser Ausstellung.